MuK: FOMO oder: Was interessieren mich die anderen

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Neulich war ich zu Besuch bei meiner Freundin, als deren 13-jährige Tochter plötzlich in Tränen aufgelöst vor uns stand. „Alle waren beim See, nur ich nicht“, schluchzte sie und zeigte mir die Instagram-Stories ihrer Freundinnen.
Was ich sah, waren perfekt inszenierte Momente – lachende Gesichter, makellose Outfits und der Eindruck grenzenloser Freiheit. Was sie fühlte, war die moderne Variante einer uralten Angst: etwas zu verpassen. FOMO (Fear of Missing Out, auf Deutsch: Die Angst, etwas zu verpassen). Wer von uns kennt das nicht?
Unsere Kinder wachsen in einer Zeit auf, in der das Smartphone ihr ständiger Begleiter ist. Social Media-Plattformen sind nicht nur Kommunikationswege, sondern soziale Arenen, in denen Anerkennung durch Likes gemessen wird und perfekte Selbstdarstellung zum Standard geworden ist. Was dabei oft auf der Strecke bleibt, ist die Erkenntnis, dass diese Perfektion eine gefilterte Illusion ist. Diese kuratierte Realität auf Instagram, TikTok und Co. setzt unsere Kinder unter enormen Druck. Sie vergleichen ihr ungefiltertes Leben mit den Höhepunkten anderer und kommen zwangsläufig zu dem Schluss: „Bei allen anderen läuft es besser.“ Eine gefährliche Spirale aus Selbstzweifeln und dem ständigen Streben nach unerreichbarer Perfektion beginnt.
Jetzt könnte man lange darüber schreiben, was Kinder wirklich brauchen und wie man scheinbar perfekte Posts analysiert: Die 30 verworfenen Fotos vor dem einen „spontanen“ Schnappschuss. Die Filter, die Hautunreinheiten verschwinden lassen. Die inszenierte Fröhlichkeit, wenn vielleicht gar keine da ist. Aber Hand aufs Herz: Ist es nicht eher so, dass wir Eltern selbst in der Perfektionismusfalle stecken? Haben Eltern nicht oftmals selbst unrealistisch hohe Ansprüche à la „mein Haus, mein Auto, mein Schaukelpferd“? Und wird damit nicht der hausgemachte Leistungsdruck auf unsere Kinder übertragen?
Ich ertappe mich beispielsweise dabei, wie ich das aufgeräumte Wohnzimmer für einen Beitrag in der Familien-WhatsApp-Gruppe fotografiere – aber den Chaos-Berg im Arbeitszimmer geschickt ausblende. Ich schiele auf Instagram-Accounts anderer Mütter mit ihren selbstgebackenen und perfekt dekorierten Geburtstagskuchen, den blitzeblanken Küchenfronten, Pinterestwürdigen Kinderzimmern und scheinbar nie endender Geduld. Andere wiederum beneiden mich um mein Leben im perfekten Chaos. Sie finden es liebenswert, kunterbunt und nie langweilig…
Wenn wir uns also selbst ständig mit anderen vergleichen, anstatt zufrieden zu sein, wie sollen unsere Kinder dann Selbstakzeptanz lernen und Selbstbewusstsein entwickeln? Es gibt immer welche, die besser sind als man selbst! In einer Welt, die von unseren Kindern und uns selbst ständige Bestleistungen erwartet, brauchen unsere Kinder vor allem authentische Eltern, die eigene Fehler zugeben und zeigen, dass Scheitern zum Leben gehört. Die bewusst unvollkommenen Momente aushalten, ohne sich selbst ständig mit anderen Müttern und Vätern zu messen. Unsere wichtigste Aufgabe als Eltern ist vielleicht, selbst authentischer zu werden und den Mut zu finden, unser unperfektes Familienleben nicht nur zu akzeptieren, sondern tatsächlich zu leben – offline wie online. Schließlich sind wir Menschen und keine Maschinen.
Ilona Einwohlt für MuK Hessen e.V.