MuK: Alles so schön hier!
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Es ist längst kein ungewöhnliches Bild mehr: Kinder im Grundschulalter stehen vor den Regalen mit teuren Kosmetikartikeln und diskutieren ernsthaft über Retinol und hautstraffende Masken, betreiben morgens und abends eine mehrstündige Skin-Care-Routine vor dem Spiegel und geben ihr Taschengeld für bunte Tiegel aus.
Willkommen in der Welt von "Sephora Kids" – einem Trend, der schon einer Weile im Netz kursiert.
Schminken und Stylen machen Spaß und sind völlig okay. Die Frage ist nur: Machen wir es aus Freude oder aus Zwang? Für uns oder für die Likes? Denn die Botschaft hinter den Beauty-Videos und der vermittelten Skincare-Routine ist klar: Du brauchst das! Unbedingt! Social Media funktioniert wie eine Dauerwerbesendung und macht junge Menschen zu Konsumopfern. Dahinter steckt eine noch perfidere Nachricht: Nur wer schön ist, ist glücklich. Du darfst nicht alt werden. Du musst perfekt sein. Und weil du nicht gut genug bist, musst du ganz viel dafür tun.
Unrealistische Schönheitsideale gab es schon immer – im TV, in Zeitschriften, in der Werbung. Aber Social Media bringt eine neue Dimension der Gefahr mit sich: die Viralität und den Algorithmus, der hier ganz klar manipuliert. Das ist das Geschäftsmodell der Anbieter und der Influencerinnen und Influencern. So funktioniert Konsum, so funktioniert Kapitalismus.
Der entscheidende Unterschied zu früher: Während wir früher eigenständig zu einer Zeitschrift gegriffen haben, bekommen Kinder heute ungefragt durch den Algorithmus entsprechende Inhalte auf ihr Handy eingespielt. Und wenn sie tagtäglich immer wieder die gleichen perfekten, dünnen Körper und perfekten Gesichter sehen, macht das etwas mit ihnen, egal ob Junge oder Mädchen. Dem können sie sich gar nicht entziehen, dem kann sich niemand entziehen.
Diese ungefilterte Verbreitung wird durch den Algorithmus multipliziert – das gilt übrigens für Beauty-Content genauso wie für Gewaltvideos, Hass und Hetze oder Desinformation.
Studien zeigen zudem deutlich: Social Media ist vermehrt für Essstörungen und Depressionen bei Jugendlichen verantwortlich. FOMO – die Angst, etwas zu verpassen – ist ein ernstzunehmendes Problem aller Social-Media-Nutzerinnen und -Nutzern. Angststörungen, Selbstzweifel bis hin zu Depressionen können die Folge sein.
Wie schnell Kinder von nur Druck in ernsthafte Erkrankungen abrutschen, hängt jedoch von vielen Faktoren ab. Aber das Risiko ist real und steigt mit jedem weiteren Beauty-Tutorial, das ihnen eingespielt wird. Auch wenn das Phänomen hauptsächlich bei Mädchen sichtbar wird, sind Jungs genauso betroffen. Der Druck, einem bestimmten Schönheitsideal zu entsprechen, macht vor Geschlechtergrenzen nicht halt.
Kinder wissen nicht, was sie im Internet tun – wir Erwachsenen schon (okay, vielleicht auch nicht immer …). Wir haben die Verantwortung, Kinder beim Aufwachsen zu begleiten, damit sie sich physisch und psychisch gesund entwickeln. Das heißt konkret: Medienkompetenz vermitteln, sich für die eigenen Kinder wirklich interessieren und immer wieder darüber sprechen, was da eigentlich auf dem Display auftaucht. Es geht um die Inhalte, nicht um die Dauer! Bitte kein Handyverbot, sondern klare Regeln. Und: Selbst mit gutem Beispiel vorangehen, denn die Sephora-Kids von heute sind die Erwachsenen von morgen. Sorgen wir dafür, dass sie gelernt haben, zwischen echten Bedürfnissen und künstlich erzeugtem Konsumdruck zu unterscheiden – denn Eltern sind die Influencer unserer Kinder!
Ilona Einwohlt für MuK Hessen e.V.